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Der lan­ge Weg ei­ner Jeans

03. März 2022 — Gast­bei­trag von Lea Christen

Sie ist der Klas­si­ker un­ter den Ho­sen, die Blue Jeans aus den USA. Als Le­vy Strauss im Jahr 1853 Bay­ern in Rich­tung San Fran­cis­co ver­liess und we­nig spä­ter zu­sam­men mit dem Schnei­der Ja­cob Da­vis die ers­te Blue Jeans ent­wi­ckel­te, ahn­te noch kei­ner, was sie spä­ter ein­mal für Wel­len schla­gen wür­de. Heut­zu­ta­ge wer­den laut Schät­zun­gen ca. 1.8 Mil­li­ar­den Jeans pro Jahr pro­du­ziert. Da­bei reist sie fak­tisch ein­mal um die Welt. Wel­che Län­der die Jeans auf ih­rer Rei­se be­sucht und wel­che Aus­wir­kun­gen sie auf Mensch und Um­welt hat, er­fährst du in die­sem Blog.

Die Glo­ba­li­sie­rung: sie ver­knüpft die gan­ze Welt und bringt uns neue Mög­lich­kei­ten und Chan­cen für die Mensch­heit. Doch was hat das mit der Jeans zu tun, die wir hier im La­den kau­fen? Dank der Glo­ba­li­sie­rung wer­den die ein­zel­nen Ar­beits­schrit­te ei­nes Pro­duk­tes, wie eben bei­spiels­wei­se der Jeans, welt­weit auf meh­re­re Sta­tio­nen auf­ge­teilt. Da­durch reist die Jeans wäh­rend ih­rer Pro­duk­ti­on ein­mal um die hal­be Welt und pro­du­ziert so­mit rund 15kg CO2.

Roh­stoff­ge­win­nung in Asien

Die Jeans be­steht zum gröss­ten Teil aus Baum­wol­le. Die­se wird zu­meist in Län­dern wie Ka­sach­stan, In­di­en, Chi­na oder Pa­ki­stan an­ge­baut. Die Her­stel­lung be­nö­tigt Un­men­gen an Was­ser, ein Ele­ment, das in die­sen Län­dern teil­wei­se eher ein be­grenz­tes Vor­kom­men hat. Die her­kömm­li­che Baum­wol­le wird als Mo­no­kul­tur an­ge­pflanzt und setzt die in­ten­si­ve Nut­zung von Kunst­dün­ger, Pes­ti­zi­den, In­sek­ti­zi­den und Be­wäs­se­rung vor­aus. So wird für den An­bau von ei­nem Ki­lo­gramm Baum­wol­le bis zu 11.000 Li­ter Was­ser und 3–4 kg Che­mi­ka­li­en be­nö­tigt. Der Was­ser­ver­brauch ist des­halb so hoch, weil die Fel­der über­wie­gend durch ei­ne Über­flu­tung mit Was­ser ver­sorgt wer­den müs­sen. In Us­be­ki­stan bei­spiels­wei­se, ver­brauch­te der Baum­wollan­bau so viel Was­ser aus dem dort ge­le­ge­nen Aral­see, dass er nach et­wa 50 Jah­ren aus­ge­trock­net war. Der Aral­see, einst ei­ner der vier größ­ten Seen der Welt, ist heu­te kaum mehr als Wüs­te und ein paar klei­ne Teiche.

Her­stel­lung des Jeans­stof­fes in der Tür­kei und in Taiwan

Die ge­ern­te­te Baum­wol­le aus Asi­en wird dann erst ein­mal in die Tür­kei ge­schickt. Dort wird näm­lich das Garn dar­aus ge­won­nen. Wer denkt, dass dort wo das Garn ge­won­nen wird, auch der Jeans­stoff ge­wo­ben wird, der irrt sich. Da­für wird das Garn näm­lich von der Tür­kei erst nach Tai­wan ge­sen­det. Gleich­zei­tig stel­len Arbeiter:innen in Po­len die ty­pisch blaue Far­be der Jeans her, den In­di­go-Farb­stoff. Ein wich­ti­ger Be­stand­teil des In­di­go-Farb­stof­fes ist Ani­lin. Er wird aus Erd­öl ge­won­nen und steht un­ter Ver­dacht, krebs­er­re­gend zu sein. Wenn der Stoff über die Haut auf­ge­nom­men wird, kann es zur Blau­ver­fär­bung von Fin­gern und Lip­pen, zu Herz­klop­fen oder Schweiss­aus­brü­chen kom­men. In der EU gibt es kei­ne ge­setz­li­chen Vor­ga­ben für den Ein­satz von Ani­lin in Farb­stof­fen, da­her soll­te man ei­ne Jeans vor dem ers­ten Mal tra­gen im­mer erst waschen.

Fär­bung und Ver­ede­lung in Nord­afri­ka, Po­len und Bulgarien

Der ge­wo­be­ne Stoff aus Tai­wan und das her­ge­stell­te In­di­go aus Po­len tref­fen sich dann in Tu­ne­si­en. Dort wird der Baum­woll­stoff näm­lich ein­ge­färbt. Beim Fär­be­pro­zess kom­men un­ter­schied­li­che Che­mi­ka­li­en zum Ein­satz, wel­che die Ge­sund­heit der Arbeiter:innen, wel­che kei­ne rich­ti­ge Schutz­aus­rüs­tung tra­gen, ge­fähr­den. Lei­der sind die Si­cher­heits­vor­keh­run­gen in sol­chen Län­dern meist un­ge­nü­gend vor­han­den. Dar­über hin­aus hat die un­ver­ant­wort­li­che Ver­wen­dung und Ent­sor­gung von Farb­stof­fen und Che­mi­ka­li­en ver­hee­ren­de Aus­wir­kun­gen für die Um­welt, ins­be­son­de­re wenn ver­schmutz­tes Ab­was­ser un­ge­fil­tert zu­rück in die Na­tur fliesst. 

Ab­bil­dung 1: Der Fär­be­pro­zess der Jeans mit dem In­di­go-Farb­stoff hat so­wohl Aus­wir­kun­gen auf die mensch­li­che Ge­sund­heit, als auch auf die Natur.

An­schlies­send fliegt der ein­ge­färb­te Stoff nach Bul­ga­ri­en, wo er ei­nem Ver­ede­lungs­pro­zess un­ter­zo­gen wird, der den Stoff wei­cher macht. Bis­her ha­ben wir be­reits ei­ne Stre­cke von ca. 25’000 km zu­rück­ge­legt, meh­re­re Men­schen ha­ben un­ter­wegs ih­re Ge­sund­heit und ihr Le­ben ris­kiert und die Um­welt wur­de stark durch Che­mi­ka­li­en und ver­un­rei­nig­tes Ab­was­ser be­las­tet. Da­bei ha­ben wir erst den Stoff für die Jeans hergestellt.

Pro­duk­ti­on in China

Ist der Stoff her­ge­stellt, ge­färbt und ver­edelt, wird er zu­rück nach Asi­en (zu­meist Chi­na) ge­flo­gen, wo er zu­sam­men mit Nie­ten aus Ita­li­en zur Jeans zu­sam­men­ge­näht wird. Tat­säch­lich wer­den die meis­ten Jeans die wir hier in den Lä­den kau­fen in ei­ner be­stimm­ten Stadt, näm­lich Xin­tang in Chi­na, zu­sam­men­ge­näht. Die­se Jeans­haupt­stadt be­steht aus un­zäh­li­gen Fa­bri­ken mit tau­sen­den von Arbeiter:innen, wel­che oft aus är­me­ren Ver­hält­nis­sen kom­men. Dar­un­ter be­fin­den sich auch Kin­der, die kein Geld für die Schu­le ha­ben und ih­re Fa­mi­li­en mit dem zu­sätz­li­chen Ver­dienst un­ter­stüt­zen müs­sen, da­mit sie über­le­ben kön­nen. Sie al­le ar­bei­ten teils bis zu 16 Stun­den am Tag mit we­ni­gen Pau­sen und ei­nem Lohn von knapp 100–200 Fran­ken pro Monat. 

Ge­wis­se Jeans wer­den nach dem Zu­sam­men­nä­hen noch ein­mal zu­sätz­lich ver­edelt, in­dem sie den “stone-wa­shed” Ef­fekt er­hal­ten. So­mit ent­steht der “used-look”, der ak­tu­ell im Trend ist. Da­zu wer­den in Xin­tang Sand­strah­ler oder Bleich­mit­tel und La­va­stei­ne ver­wen­det. Die­ser Pro­zess be­ein­träch­tigt häu­fig die Ge­sund­heit von Mitrarbeiter:innen, da die Si­cher­heits­vor­keh­run­gen man­gel­haft sind. 

Ab­bil­dung 2: Ein Ar­bei­ter bei der An­wen­dung der Sandstrahl-Technik.

Bei der Sand­strahl-Tech­nik wird das In­di­go-Blau der Jeans an be­stimm­ten Stel­len durch das Auf­strah­len von Sand ab­ge­tra­gen. Da­bei lö­sen sich Quarz­par­ti­kel und ge­lan­gen in die Atem­we­ge der Arbeiter:innen, set­zen sich in der Lun­ge ab und füh­ren so zu schwe­ren Atem­pro­ble­men. Es ent­ste­hen töd­li­che Krank­hei­ten wie Si­li­ko­se (auch Staub­lun­ge ge­nannt) oder Lun­gen­krebs. Da die Che­mi­ka­li­en gif­tig für den Men­schen sind, ist es na­he­lie­gend, dass die Um­welt eben­so dar­un­ter lei­det. Das un­ge­fil­ter­te Ab­was­ser der Fa­bri­ken ist mit Schwer­me­tal­len ver­seucht und ver­brei­tet sich über Flüs­se in der Umwelt.

La­be­l­ing und Ver­trieb in Europa

Schluss­end­lich wird die Jeans nach Eu­ro­pa ge­schickt, wo sie — wenn dies nicht schon in Asi­en ge­sche­hen ist — in Frank­reich ge­wa­schen und in Deutsch­land mit dem Fir­men­la­bel ver­se­hen wird. Da­nach ist die Jeans ver­kaufs­be­reit und wird in den ent­spre­chen­den La­den trans­por­tiert, wo wir sie für teil­wei­se un­ver­schämt tie­fe Prei­se kau­fen kön­nen. Was der Kon­su­ment beim Kauf nicht se­hen kann ist, dass die Jeans von der Baum­woll­ge­win­nung über die Ver­ar­bei­tung bis zum Ver­kauf im Ge­schäft ins­ge­samt meh­re­re zehn­tau­send Ki­lo­me­ter zu­rück­ge­legt hat. 

Fa­zit

Die Pro­duk­ti­on ei­ner Jeans stellt ei­ne enor­me Be­las­tung für die Um­welt dar. Für ih­re Her­stel­lung reist sie meh­re­re tau­send Ki­lo­me­ter durch die Welt und ver­braucht da­mit ei­ni­ges an Erd­öl, was mit gros­sen Men­gen an CO2-Aus­stoss ver­bun­den ist. Für die Her­stel­lung des Roh­stof­fes Baum­wol­le wird ei­ne rie­si­ge Men­ge an Was­ser und vie­le Che­mi­ka­li­en be­nö­tigt, wel­che man­gels Re­gu­la­tio­nen und Si­cher­heits­vor­keh­run­gen un­se­re Luft, Bö­den und un­ser Grund­was­ser ver­seu­chen und zu ge­sund­heit­li­chen Fol­gen bei Arbeiter:innen füh­ren. Zu­sätz­lich wer­den Um­welt und Mensch durch die ein­ge­setz­ten Che­mi­ka­li­en bei der Fär­bung und Ver­ede­lung der Jeans, wie bei­spiels­wei­se der Sand­strahl-Tech­nik, be­las­tet. Ne­ben den Um­welt­ver­schmut­zun­gen und ge­sund­heit­li­chen Fol­gen, wird die Jeans häu­fig auch mit­tels Kin­der­ar­beit hergestellt. 

Wir als End­kon­su­men­ten kön­nen ei­nen Teil der Lö­sung zum Pro­blem bei­tra­gen. Zum ei­nen kön­nen wir uns po­li­tisch für Men­schen­rech­te, fai­re Löh­ne, si­che­re Ar­beits­plät­ze und Um­welt­schutz ein­set­zen. Mit un­se­rem Kauf­ver­hal­ten ha­ben wir aber auch ei­nen ge­wis­sen Ein­fluss dar­auf, wie die Jeans pro­du­ziert wird. Du kannst beim Kauf von Klei­dung bei­spiels­wei­se auf Fair­trade und Nach­hal­tig­keit set­zen und Un­ter­neh­men un­ter­stüt­zen, wel­che dies för­dern. Wäh­le Bio-Baum­wol­le statt her­kömm­lich an­ge­bau­te Baum­wol­le und fra­ge dich, ob der Preis dei­nes Klei­dungs­stücks dem ge­recht wird, was es kos­ten soll­te. Wenn du dei­ner Jeans Sor­ge trägst, in­dem du sie bei­spiels­wei­se scho­nend und nicht so häu­fig wäschst und sie luft­trock­nest, kannst du die Le­bens­zeit dei­ner Jeans ver­län­gern und so­mit zu mehr Nach­hal­tig­keit bei­tra­gen. Des Wei­te­ren soll­test du dei­ne al­ten Jeans nicht ein­fach weg­wer­fen, son­dern sie durch Re- und Up­cy­cling wei­ter­ver­ar­bei­ten las­sen. Mehr zum The­ma Re­cy­cling fin­dest du hier. Zu­letzt sind se­cond-hand Jeans ei­ne nach­hal­ti­ge Al­ter­na­ti­ve zu neu­en Jeans. 

Hät­test du ge­dacht, dass ein so simp­les Klei­dungs­stück wie die Jeans bei der Her­stel­lung bis zu 10 Län­der be­reist und mas­si­ve Aus­wir­kun­gen auf Um­welt und Mensch hat? Wir wür­den uns freu­en, wenn du dei­ne Ge­dan­ken mit uns in den Kom­men­ta­ren teilst. 

Quel­len­ver­zeich­nis

Mc­Fall-John­sen, M. (2019). The fa­shion in­dus­try emits mo­re car­bon than in­ter­na­tio­nal flights and ma­ri­ti­me ship­ping com­bi­ned. He­re are the big­gest ways it im­pacts the planet.

Bak­ken­büll, A. (2019). Jeans-Farb­stoff: Wie ge­fähr­lich ist Anilin?

Gesundes-haus.ch. (2022). Aus­ge­wähl­te CO2-Bi­lan­zen von Nah­rungs­mit­teln und Bekleidung.

Her­zog, S., Bucher, O. und Br­oek­mann, M. (2020). Der lan­ge Weg ei­ner Jeans.

Tsai, K. (2017). How ethi­cal is the den­im sup­p­ly chain?

Um­welt­Dia­log. (2012). Sand­strahl-Tech­nik ge­fähr­det im­mer noch die Ge­sund­heit tau­sen­der Textilarbeiter

Ab­bil­dungs­ver­zeich­nis

Ab­bil­dung 1: Lind­wall, C. (2019). Are My Den­im Jeans Bad for the Environment?

Ab­bil­dung 2: ARD.de (2012). Der Preis der Blue-Jeans.

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