04 März 2022 — Gastbeitrag von Lea Christen
Viele sind sich heutzutage den Auswirkungen von Fliegen, Autofahren, Fleischkonsum oder Einwegplastik auf die Umwelt bewusst. Doch wenn es um unsere Kleidung geht, sind die Auswirkungen weniger offensichtlich und somit den Konsument:innen auch weniger bekannt. Der Begriff Fast Fashion hat in den letzten Jahren immer öfters die Titel von negativen Schlagzeilen geprägt und dies zurecht. Haltet euch fest liebe Fashionliebhaber:innen, denn es wird ganz schön ungemütlich. In diesem Monat tauchen wir ein in die nahezu endlos grosse Welt der schnellen Textilproduktion und deren horrenden Auswirkungen für Mensch, Tier und Umwelt.
Aus dem Englischen übersetzt bedeutet Fast Fashion “schnelle Mode” und wird von Oxford Languages definiert als preiswerte Kleidung, welche schnell von Einzelhändlern auf dem Massenmarkt hergestellt wird, als Antwort auf die neuesten Trends. Damit ein T‑Shirt einer bekannten Fast Fashion Marke wie Zara, H&M, C&A und Co. so wenig kosten kann — und somit preiswert ist — gehen die Kosten andernorts, wie beispielweise in der Umwelt, teilweise ins Unermessliche. Doch was ist es genau, was Fast Fashion zur Sünde macht? Hier sind die wichtigsten Punkte:
1. Doppelt so viel Kleidung, die halb solange getragen wird
Die Modebranche stellt mit einem Wert von 2.5 Billionen US-Dollar einen wichtigen Teil unserer Wirtschaft dar, der weltweit 75 Millionen Menschen eine Arbeit bietet. Und dieser Markt ist im Wachstum: zwischen 2000 und 2014 hat sich die Produktion von Kleidern geradezu verdoppelt und die Anzahl der pro Kopf gekauften Kleidungsstücke ist in der gleichen Zeit um ca. 60% angestiegen. Schätzungen deuten daraufhin, dass viele Konsumenten die günstige Kleidung als praktisch wegwerfbar betrachten und sie nach nur sieben oder acht mal tragen bereits wegwerfen.

Wir besitzen also Unmengen an Kleidung in unserem Kleiderschrank und haben doch nie etwas zum anziehen — so fühlt es sich zumindest an. Denn die heutigen Modetrends wechseln immer schneller und kaum haben wir ein stylisches Stück erworben, ist es auch bereits wieder out. Die Kleidungsindustrie fördert dieses Verhalten zusätzlich, denn sie will ja, dass wir so oft und so viel Kleidung wie möglich kaufen. Die Anzahl Kleidungskollektionen pro Jahr unter allen europäischen Kleidungsunternehmen haben sich im Durchschnitt zwischen 2000 und 2011 mehr als verdoppelt. Das Kleidungsunternehmen Zara beispielsweise bringt jedes Jahr sage und schreibe 24 Kollektionen raus. H&M bietet 12 bis 16 Kollektionen an und aktualisiert diese wöchentlich.
2. Die Modebranche ist für bis zu 8% der CO2-Emissionen der Menschheit verantwortlich
Die Modebranche ist mit einer wachsenden Reihe von Nachhaltigkeitsbedenken konfrontiert. Bis zu 8% der CO2-Emmisionen produziert die Herstellung von Kleidung und Schuhen, das ist mehr als die CO2-Produktion von allen internationalen Flüge und Schifffahrten zusammen. Und wenn der Modesektor den derzeitigen Kurs so fortsetzt, könnte der Anteil des CO2-Budgets bis 2050 auf bis zu 26% steigen.
Doch warum verursachen Kleider so viel CO2? Fangen wir an bei der nicht nachhaltigen Nutzung von natürlichen und nicht natürlichen Ressourcen wie z.B. Plastik, Baumwolle, Leder, Felle, usw. Hinzu kommen lange Transportwerge, da die verschiedenen Bestandteile der Kleider in den unterschiedlichsten Ecken der Welt hergestellt werden. Die handelsübliche Kleidung legt eine Strecke von knapp 35’000 km zurück, bevor sie bei uns im Laden ankommt. Zum Vergleich: der Erdumfang auf Äquatorhöhe liegt bei ca. 40’000 km. Ist das wirklich nötig für ein basic T‑Shirt im Wert von sieben Franken? Ausserdem ist die Modebranche für Unmengen an Abfall verantwortlich, nicht nur durch die Produktionsabfälle die entstehen, sondern auch durch die Kleiderabfälle nach dem Tragen der Kleidung. Des Weiteren geschieht der grösste Teil der Herstellung in Entwicklungsländern, was soziale Auswirkungen wie schlechte Arbeitsbedingungen, Hungerlöhne, Kinderarbeit, Krankheiten und Tod mit sich bringt.
3. Jede Sekunde wird die Menge eines Lastwagens voll Kleidung verbrannt oder auf einer Müllhalde deponiert
Die Herstellung von Kleidung produziert enorme Mengen an Müll. Doch das ist nur ein Teil des Problems. Dank Fast Fashion kannst du viel Kleidung kaufen, die so günstig ist, dass sie nach nur zwei- oder dreimal tragen oft im Müll oder Altkleidercontainer landet. Die Stücke bestehen meistens aus billigen Materialen, welche schnell und häufig schlecht verarbeitet werden. Somit gehen sie schneller kaputt, oder gefallen einem nicht mehr, da die Qualität zu wünschen übrig lässt.

Aber du bringst deine Kleidung doch immer brav zur Altkleidersammlung, das ist doch was anderes, oder? Leider ist das nicht genug. Durchschnittlich eignen sich heutzutage nur noch 50% der Textilien für den Secondhand-Gebrauch. Davon werden weniger als 10% von den gemeinnützigen Organisationen für ihre soziale Arbeit vor Ort benötigt. Etwas 40% wird an gewerbliche Secondhand-Firmen verkauft. Lediglich zwei bis vier Prozent der abgegebenen Kleidung bleibt im Ursprungsland. Der Großteil der Secondhand-Kleidung landet in Osteuropa und Afrika. Von den 50% Altkleider, welche nicht wiederverwendet werden können, wird ein kleiner Teil recycelt, der Rest wird verbrannt oder landet auf irgendwelchen Müllbergen.
4. Unsere Kleider landen als Mikroplastik im Meer
In der Modewelt dreht sich alles um Aussehen und Style. Wenige Menschen machen sich dabei Gedanken darüber, was in der Mode steckt, die sie tragen. Diese hunderttausenden von Fasern, aus denen unsere Kleidung besteht, führen pro Jahr zu geschätzt 1.4 Millionen Kunststofffasern im Ozean.
Ca. 60% aller Materialen, welche in der Modeindustrie verwendet werden, bestehen aus Plastik, darunter Polyester, Acryl und Nylon. Diese synthetischen Stoffe sind leicht, langlebig und günstig. Doch jedes Mal wenn du sie wäschst, verlieren sie klitzekleine Plastikfasern, sogenannte Mikrofasern, eine Art von Mikroplastik. 500’000 Tonnen von diesen Mikrofasern landen somit jedes Jahr durch das Waschen von Kleidung im Meer. Das entspricht etwas 50 Milliarden Plastikflaschen. Dieser Mikroplastik wandert in der Nahrungskette dann wieder nach oben, also auf unsere Teller, da ihn Fische und anderen Meerestiere mit Nahrung verwechseln. Er schadet aber nicht nur den Tieren, sondern auch uns Menschen, denn er enthält oft besorgniserregende Schadstoffe wie giftige Pestizide und Industriechemikalien.
5. Zweitgrösster Wasserverbrauch der Welt
Von Wassermangel können wir hier in der Schweiz noch lange nicht reden. Doch in beliebten Kleiderherstellungsländern
wie beispielsweise Indien, Bangladesch oder Vietnam sieht das schon anders aus. Die Fashionindustrie ist der zweitgrösste Wasserverbraucher weltweit. Sie ist für ganze 20% der globalen Wasserverschwendung verantwortlich. So werden beispielsweise für die Herstellung eines Baumwollhemds ca. 2500 Liter Wasser benötigt. Davon könnte eine Person ganze dreieinhalb Jahre lang mindestens acht Tassen Wasser pro Tag trinken. Für die Herstellung einer Jeans werden sogar ganze 7000 Liter benötigt. Das liegt daran, dass sowohl T‑Shirt als auch Jeans aus einer sehr wasserintensiven Pflanze hergestellt werden, nämlich der Baumwolle. Doch damit nicht genug, denn die Textilfärberei ist weltweit auch der zweitgrößte Wasserverschmutzer. Das beim Färbeprozess anfallende Wasser wird nämlich oft einfach ungefiltert zurück in Gräben, Bäche oder Flüsse geleitet.
6. Unzählige soziale Auswirkungen
Bekannterweise haben viele Bekleidungsunternehmen Probleme mit den Arbeitsbedingungen in ihren Lieferketten, dazu gehören Kinderarbeit, niedrige Löhne, sowie Gesundheits- und Sicherheitsrisiken. Warum ist das so? Die Produktion von Kleidung hat eine der komplexesten globalen Wertschöpfungsketten überhaupt. Dabei werden die meisten Produkte auf dem EU-Binnenmarkt ausserhalb der EU hergestellt, häufig in Ländern mit niedrigeren Arbeits‑, Sicherheits- und Umweltstandards. Im Jahr 2015 waren die wichtigsten Exporteure in die EU China, Bangladesch, die Türkei, Indien, Kambodscha und Vietnam.
Die Organisation Global Labor Justice veröffentlichte einen Bericht über Textilarbeiterinnen aus Ländern wie Dhaka, Bangladesch, Indonesien, Indien, Sri Lanka und anderen Ländern, die für die Lieferkette von H&M arbeiteten und von sexueller Gewalt, körperlicher Gewalt, verbalen Beschimpfungen, Nötigung, Drohungen und Vergeltungsmaßnahmen am Arbeitsplatz, sowie von routinemäßigen Freiheitsentziehungen einschließlich erzwungener Überstunden berichteten. Und das bei einem Hungerslohn.

Die Entbehrungen, mit denen die große Mehrheit der Arbeiter:innen und ihre Familien täglich konfrontiert ist, stehen in krassem Gegensatz zu den riesigen Gewinnen, die globale Modemarken jährlich erzielen. Ein bekanntes Beispiel dafür war das Nationaltrikot der englischen Fußballmannschaft bei der WM 2018, das mit dem Logo einer bekannten Sportbekleidungsmarke verziert war und das teuerste England-Trikot aller Zeiten darstellte. Die Trikots wurden für bis zu 180 Euro an die Fans verkauft — während die Arbeiter:innen in Bangladesch, welche die Trikots hergestellt hatten, weniger als 2 Euro pro Tag verdienten.
Hinzu kommt, dass Arbeiter:innen häufig ohne Schutzkleidung mit Substanzen arbeiten müssen, die ihre Gesundheit gefährden. Die Bearbeitung einer Jeans mit Sandstrahlen beispielsweise, kann ohne entsprechende Schutzmassnahmen die lebensbedrohliche Lungenkrankheit Silikose verursachen. Ausserdem geschehen immer wieder schwere Unfälle, da notwendige Sicherheitsstandards ignoriert werden.
Was du dagegen tun kannst
Wenn du es bis hierhin geschafft hast, fühlst du dich eventuell ein wenig erschlagen und fragst dich, ob du als Konsument:in überhaupt etwas gegen diesen Wahnsinn unternehmen kannst. Die gute Nachricht ist, du kannst! Hier sind ein paar Vorschläge:
- Fordere mehr Transparenz darüber wo und wie deine Kleidung und Schuhe hergestellt werden.
- Überdenke deine Einkaufsmuster, um fundiertere und nachhaltigere Entscheidungen zu treffen.
- Kaufe Secondhand-Kleidung.
- Kaufe weniger Kleider, dafür nachhaltig und fair produziert, so dass du sie viele Jahre trägst.
- Entscheide dich für Bio-Baumwolle, welche nachhaltiger und wassersparender angebaut wird.
- Verzichte auf synthetische Kleidung und achte auf recyclebare Stoffe ohne Plastik.
- Verwende Waschbeutel, welche die Freisetzung von Mikrofasern bis zu 86% reduzieren, indem sie die Mikrofasern, die sich lösen auffangen.
- Lass dich nicht durch Greenwashing von bekannten Fast Fashion Labels wie H&M, Zara und Co. blenden.
Wir sollten uns als Verbraucher:innen fragen, ob es sich wirklich lohnt, ein Produkt zu kaufen, das so viele negative Auswirkungen hat. Ist es dieses Produkt überhaupt wert, hergestellt zu werden, wenn man bedenkt, dass seine Lebensdauer wahrscheinlich nicht lang genug sein wird, um die Produktion zu rechtfertigen? Hinterlasse uns doch einen Kommentar mit deinen Gedanken oder Fragen zu dem Thema.
Quellenverzeichnis
Bayerischer Rundfunkt. (2020). Was passiert mit alter Kleidung?
European Union. (2019). Environmental impact of the textile and clothing industry.
Geneva Environment Network. (2021). Environmental Sustainability in the Fashion Industry.
Global Labor Justice. (2016). Gender Based Violence in the H&M Garment Supply Chain
Remy, N., Speelman, E. and Swartz, S. (2016). Style that’s sustainable: A new fast-fashion formula.
Sadowski, M., Perkins, L. und McGarvey, E. (2021). Roadmap to net zero: delivering sciencebased tragets in the apparel sector.
UN environment programme. (2018; updated 2021). Putting the brakes on fast fashion.
UN environment programme. (2019). Fashion’s tiny hidden secret.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Canva.ch
Abbildung 2: Redaktionsnetzwerk Deutschland. (2021). Chiles Atacama-Wüste: Müllhalde für Fast-Fashion.
Abbildung 3: ÖKO Planet Magazin. (n.d.). “Fast Fashion” und Wege zu nachhaltiger Mode.