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Die nach­hal­ti­ge Stadt­ent­wick­lung im In­ter­view erklärt

Das The­ma nach­hal­ti­ge Stadt­ent­wick­lung ge­winnt im Hin­blick der Stra­te­gie der nach­hal­ti­gen Ent­wick­lung der Schweiz im­mer mehr an Re­le­vanz, wes­halb es an der Zeit ist, sich dar­über zu in­for­mie­ren. In ei­nem In­ter­view spra­chen wir mit Ma­ria Saut­ter, um uns ei­nen Über­blick zu ver­schaf­fen. Lass dir die­sen Über­blick zur nach­hal­ti­gen Stadt­ent­wick­lung nicht ent­ge­hen. Als Plus er­fährst du gleich noch ein paar Tipps, was du selbst ma­chen kannst. Viel Spass beim Lesen!

Im Ju­ni 2021 ver­ab­schie­de­te die Schwei­zer Re­gie­rung ih­re Stra­te­gie zur nach­hal­ti­gen Ent­wick­lung bis zum Jahr 2030. Die Stra­te­gie um­fasst ver­schie­dens­te Be­rei­che, in wel­chen laut Schwei­zer Re­gie­rung, Hand­lungs­be­darf be­steht. Ei­ner die­ser Be­rei­che stellt der Schwer­punkt Kli­ma, En­er­gie und Bio­di­ver­si­tät dar. Bei die­sem Schwer­punkt geht es vor al­lem dar­um Treib­haus­gas­emis­sio­nen zu re­du­zie­ren, kli­ma­be­ding­te Aus­wir­kun­gen zu be­wäl­ti­gen, den En­er­gie­ver­brauch zu sen­ken, En­er­gie ef­fi­zi­ent zu nut­zen, er­neu­er­ba­re En­er­gien aus­zu­bau­en und die Bio­di­ver­si­tät zu för­dern. Das sind vie­le Zie­le, wel­che sich die Schwei­zer Re­gie­rung ge­setzt hat. Aber was für An­sät­ze gibt es, um so vie­le Zie­le mit­ein­an­der ver­fol­gen zu kön­nen? Oder hat sich die Schwei­zer Re­gie­rung zu ho­he Zie­le gesetzt?

Nein, na­tür­lich blieb die Schwei­zer Re­gie­rung rea­lis­tisch und ih­re Stra­te­gie ori­en­tiert sich an ver­schie­de­nen Lö­sungs­an­sät­zen, wel­che be­reits vor­han­den sind. Ei­ner die­ser Lö­sungs­an­sät­ze stellt die nach­hal­ti­ge Stadt­ent­wick­lung dar. Und auf ge­nau die­sen Lö­sungs­an­satz wol­len wir heu­te et­was ge­nau­er ein­ge­hen. Da­für ha­ben wir Ma­ria Saut­ter von In­tep in­ter­viewt. In­tep ist ein in­ter­dis­zi­pli­nä­res Be­ra­tungs- und For­schungs­un­ter­neh­men für Um­welt, Wirt­schaft und Ge­sell­schaft. Ma­ria Saut­ter über­nimmt da­bei die Be­ra­tung von Bau­her­ren und Ge­mein­den beim Bau von en­er­gie­spa­ren­den und kli­ma­an­ge­pass­ten Ge­bäu­den, hat bei Ge­mein­den nach­hal­ti­ge Be­schaf­fungs­richt­li­ni­en ein­ge­führt und gibt Work­shops zum The­ma Na­tur und nach­hal­ti­ge Stadtentwicklung. 

Als ers­tes möch­ten wir ger­ne ein ge­ne­rel­les Ver­ständ­nis für die nach­hal­ti­ge Stadt­ent­wick­lung er­wer­ben. Aus was ach­tet man bei der nach­hal­ti­gen Stadt­ent­wick­lung ge­nau?

Ge­ne­rell sol­len al­le drei Aspek­te der Nach­hal­tig­keit be­rück­sich­tigt wer­den: Öko­lo­gie, Ge­sell­schaft und Öko­no­mie. Kon­kre­te Bei­spie­le da­für wären:

  • Res­sour­cen­scho­nung (oder spar­sa­mer Um­gang mit Ressourcen)
  • Nut­zung er­neu­er­ba­ren En­er­gien und Energieeffizienz
  • Kli­ma­an­pas­sung (Hit­ze­min­de­rung und Schutz vor Unwetterschaden)
  • Na­tur- und Biodiversitätsförderung
  • Ge­sun­des Stadt­kli­ma (z.B. durch Schad­stoff­re­duk­ti­on, Lärmreduktion)
  • För­de­rung lo­ka­ler Wirtschaft

Ge­ra­de das Bei­spiel der Schad­stoff­re­duk­ti­on durch das An­pflan­zen von Bäu­men zeigt, dass die po­si­ti­ve Wir­kung der Na­tur auf den Men­schen ein gros­ser Mo­ti­va­ti­ons­fak­tor für uns sein soll­te. Wel­che wei­te­ren po­si­ti­ven Ein­flüs­se hat die nach­hal­ti­ge Stadt­ent­wick­lung?

Ei­ne wun­der­ba­re po­si­ti­ve Wir­kung, wel­che wir oft­mals ver­ges­sen, ist, dass die Na­tur ein su­per Er­ho­lungs­raum für die Be­völ­ke­rung ist. Ich den­ke, wir sind uns al­le ei­nig, dass wir uns lie­ber in ei­nem grü­nen Park ent­span­nen als auf ei­nem ge­teer­ten Platz. Des Wei­te­ren kön­nen durch bei­spiels­wei­se Ent­sieg­lung (was­ser- und luft­dich­te Ab­de­ckun­gen wer­den vom na­tür­li­chen Bo­den ent­fernt) und Be­grü­nung von be­bau­ten Flä­chen, Un­wet­ter­schä­den mi­ni­miert wer­den. Zu­dem wird durch sol­che Mass­nah­men das Kli­ma in der Stadt im Som­mer für den Men­schen an­ge­neh­mer, da be­bau­te Ge­bie­te mehr Hit­ze spei­chern. Grund­sätz­lich spre­chen wir hier al­so von der Klimaanpassung. 

Abb. 1: Mo­ti­va­ti­ons­fak­to­ren für ei­ne nach­hal­ti­ge Stadtentwicklung

Ein wei­te­rer po­si­ti­ver Fak­tor der nach­hal­ti­gen Stadt­ent­wick­lung ist der spar­sa­me Um­gang mit Res­sour­cen. Da­durch kön­nen näm­lich Ab­fäl­le und ih­re po­ten­zi­el­le schäd­li­che Wir­kung auf den Men­schen re­du­ziert wer­den. Ein be­kann­tes Bei­spiel stellt der zu­neh­men­de Mi­kro­plas­tik im Was­ser dar. Ha­ben wir we­ni­ger Ab­fall, so ent­steht auch we­ni­ger Mi­kro­plas­tik, was für uns al­le von Vor­teil ist. Zu­letzt er­rei­chen wir durch ei­ne bes­se­re En­er­gie­ef­fi­zi­enz lang­fris­ti­ge Kos­ten­ein­spa­run­gen. Al­so kurz­ge­fasst: Die nach­hal­ti­ge Stadt­ent­wick­lung bie­tet uns Men­schen mehr Er­ho­lungs­raum, ei­nen bes­se­ren Um­gang mit dem Kli­ma, ei­ne Mi­ni­mie­rung von mög­li­chen ge­sund­heit­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen und lang­fris­ti­ge Kosteneinsparungen.

Mit dem Wis­sen über die­se po­si­ti­ven Aus­wir­kun­gen ei­ner nach­hal­ti­gen Stadt­ent­wick­lung ent­steht bei uns gleich Mo­ti­va­ti­on zu han­deln. Aus die­sem Grund wür­den uns mög­li­che Mass­nah­men, wel­che für ei­ne nach­hal­ti­ge Stadt­ent­wick­lung ge­nutzt wer­den, in­ter­es­sie­ren. Wel­che Mass­nah­men wer­den für ei­ne nach­hal­ti­ge Stadt­ent­wick­lung eingesetzt?

Es gibt ei­ni­ge Mass­nah­men, wo­bei ein paar ganz ein­fach um­ge­setzt wer­den kön­nen. Zum Bei­spiel wird die För­de­rung von Mehr­weg­sys­te­men (al­so Re­cy­cling von PET und Alu) bei Ver­an­stal­tun­gen schon sehr ge­zielt durch­ge­führt. Ei­ne wei­te­re Mög­lich­keit stellt die Nut­zung von Sha­ring-An­ge­bo­ten dar. An­statt je­des Ge­rät selbst zu kau­fen, lohnt es sich zu über­le­gen, wie oft man es über­haupt braucht. Ei­ne Bohr­ma­schi­ne wird bei­spiels­wei­se nur sel­ten ge­braucht, wes­halb sie auch ein­fach aus­ge­lie­hen wer­den kann. Das­sel­be gilt auch oft­mals für Fahr­zeu­ge, wes­halb An­ge­bo­te wie Mo­bi­li­ty oder die E‑Trottinetts gros­se Be­liebt­heit geniessen.

In die­sem Sin­ne ist es auch wich­tig, dass wir nicht im­mer gleich al­les weg­schmeis­sen. Re­pa­ra­tur­zen­tren (-ca­fés), Floh­märk­te und Tausch­bör­sen sind des­halb un­glaub­lich wich­tig. Durch sie kön­nen wir den Ver­brauch un­se­rer Res­sour­cen re­du­zie­ren. Ein wei­te­res Plus stellt der Mit­ein­be­zug von pen­sio­nier­ten und ar­beits­lo­sen Men­schen dar. Ne­ben die­sen Mass­nah­men, wel­che wir schnell in un­se­ren All­tag in­te­grie­ren kön­nen, gibt es wei­te­re Mass­nah­men, wel­che vor al­lem bei der Bau­pla­nung, beim Bau­en oder beim Gärt­nern be­ach­tet wer­den kön­nen. Fol­gen­de Mass­nah­men zäh­len dazu:

  • Dach- und Fas­sa­den­be­grü­nung an Gebäuden
  • Bäu­me und/oder He­cken an Strassenrändern
  • Na­tur­na­he Gär­ten, In­nen­hö­fe und öf­fent­li­che Räu­me: z.B. durch Blu­men­wie­sen, He­cken, aus ein­hei­mi­schen Pflan­zen, Klein­struk­tu­ren / Nis­träu­men für Tiere
  • So­lar­an­la­gen auf öf­fent­li­chen Ge­bäu­den mit Be­tei­lung der Bevölkerung
  • Neu­bau­ten mit ho­hen Nach­hal­tig­keits­stan­dards (z.B. Mi­ner­gie Eco, SNBS,…)

Wel­che die­ser Mass­nah­men ist dein per­sön­li­cher Fa­vo­rit und weshalb?

Die na­tur­na­hen Gär­ten! Als Bio­lo­gin und Na­tur­lieb­ha­be­rin be­ob­ach­te ich ger­ne die Viel­falt und Schön­heit der Na­tur di­rekt vor der Haustür.

Ei­nen Aspekt, wel­chen du bis­her nicht ge­nannt hast, stel­len die Smart Ci­ties dar. Smart Ci­ties nut­zen die in­tel­li­gen­ten Tech­no­lo­gien und Da­ten, um Dienst­leis­tun­gen op­ti­ma­ler zu ge­stal­ten und die Le­bens­qua­li­tät der Einwohner:innen zu ver­bes­sern. Aus­ser­dem soll da­durch mit Res­sour­cen spar­sa­mer um­ge­gan­gen wer­den, in­dem sie ge­ziel­ter ein­ge­setzt wer­den. Bei­spie­le wä­ren selbst­fah­ren­de Fahr­zeu­ge, in­tel­li­gen­te Strom­net­ze, ver­netz­te Ab­fall­ei­mer oder die e‑Partizipation. Die Smart Ci­ty ist al­so ei­ne mög­li­che Wei­ter­ent­wick­lung der Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie bei der Stadt­ent­wick­lung. Wie stehst du zum Kon­zept Smart City?

In ei­ner Smart Ci­ty wer­den ganz­heit­li­che und in­no­va­ti­ve Lö­sun­gen ge­för­dert. Da­bei wird Wert auf die Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen Stadt­ver­wal­tung, Be­völ­ke­rung, Fir­men und Or­ga­ni­sa­ti­on ge­legt. Die­ser Aspekt fin­de ich wich­tig und wert­voll. Der Ein­satz von mo­der­nen Tech­no­lo­gien kann da­bei hilf­reich sein, aber soll aus mei­ner Sicht nicht im Zen­trum stehen.

Abb. 2: Bei­spiel ei­ner Smart City

Dann noch ei­ne et­was an­de­re Fra­ge. Wir ha­ben uns in ei­nem an­de­ren Blog­bei­trag mit öko­lo­gi­schen Bau­stof­fen wie Lehm, Holz oder öko­lo­gi­schem Ze­ment aus­ein­an­der­ge­setzt. Wie fest wird auf nach­hal­ti­ge Bau­stof­fe in der Stadt­ent­wick­lung gesetzt?

Durch die Aus­wahl von ge­wis­sen nach­hal­ti­gen Bau­stan­dards (wie Mi­ner­gie-Eco) wer­den öko­lo­gi­sche Bau­stof­fe vor­aus­ge­setzt. Oft wer­den aber aus Kos­ten­grün­den Bau­stan­dards ge­wählt, die vor al­lem den en­er­ge­ti­schen Aspekt be­rück­sich­ti­gen. Dies ist aus der Sicht der Nach­hal­tig­keit zu we­nig. Bei­spiels­wei­se wä­re die ver­mehr­te Ver­wen­dung des ein­hei­mi­schen Roh­stoffs Holz mög­lich. Denn die Ver­wen­dung von Schwei­zer Holz führt zu ei­ner bes­se­ren lo­ka­len Wert­schöp­fung und zur Trans­port­re­duk­ti­on. Ein wei­te­rer Aspekt, wel­chem wir zu we­nig Auf­merk­sam­keit schen­ken, ist die ge­sund­heits­schäd­li­che Wir­kung von ge­wis­sen Bau­stof­fen. Aus die­sem Grund soll­ten ins­be­son­de­re öf­fent­li­che Bau­ten wie Schu­len aus öko­lo­gi­schen Bau­stof­fen her­ge­stellt werden.

Nun wir se­hen, dass wir noch ei­nen gros­sen Hand­lungs­be­darf ha­ben. Vom Han­deln kön­nen uns ins­be­son­de­re Hin­der­nis­se oder Her­aus­for­de­run­gen ab­hal­ten. Wel­che gröss­ten Her­aus­for­de­run­gen siehst du für die nach­hal­ti­ge Stadtentwicklung?

Ers­tens müs­sen wir ver­schie­de­ne Be­dürf­nis­se zu­sam­men­brin­gen und ein Kom­pro­miss für al­le fin­den. Zwei­tens brau­chen wir mehr ganz­heit­li­che Lö­sun­gen und Mass­nah­men, an­statt uns nur auf Pro­ble­me zu kon­zen­trie­ren. Und drit­tens müs­sen wir be­gin­nen lang­fris­tig, an­statt kurz­fris­tig zu denken.

Zum Ab­schluss, wel­che ein­fach um­setz­ba­ren Tipps hast du für un­se­re Leser:innen?

  • Mie­ten oder Sha­ring statt kau­fen: den Nach­bar fra­gen, be­vor man ei­ne neue Bohr­ma­schi­ne kauft! Die App Shar­ley hilft dabei.
  • En­er­gie­spa­ren zu Hau­se: Ge­rä­te im­mer ganz aus­schal­ten (kein Stand­by), LED-Lam­pen, Spül­ma­schi­ne / Wasch­ma­schi­ne im­mer voll ma­chen, Stoss­lüf­ten statt Kipp­fens­ter öff­nen im Winter
  • Wild­blu­men im Gar­ten oder auf dem Bal­kon pflanzen
  • Lo­ka­le / re­gio­na­le Le­bens­mit­tel bevorzugen

Quel­len­ver­zeich­nis

EBP (n.d.). Smart City-Guide.

Ab­bil­dungs­ver­zeich­nis

Abb. 2: EBP (n.d.). Smart City-Guide. 

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