Wusstest du eigentlich, dass der Bausektor einen enorm grossen Einfluss auf unsere Umwelt und die Klimaerwärmung hat? Nein? Dann bist du hier richtig. In diesem Blogbeitrag thematisieren wir weshalb der Bausektor unserer Umwelt schaden kann und zeigen eine Möglichkeit auf, wie der Bausektor das Thema Nachhaltigkeit berücksichtigen kann. Dabei geht es um den Bereich der Baustoffe, wobei wir uns deren Ökobilanz sowie die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten anschauen.
10% des gesamten Energieverbrauchs der Welt entsteht durch das Bauen von Gebäuden. In der Schweiz wird 45% der Primärenergie für unsere Gebäude aufgewendet. Dieser Energieverbrauch verteilt sich auf die Heizung, das Warmwasser und die Klimatisierung, die Elektrizität, den Bauprozesse, die Baumaterialien sowie den Unterhalt der Gebäude. Ausserdem werden 24% der Schweizer CO2 Emissionen durch den Gebäudesektor verursacht. Wegen dieser grossen Umweltbelastung ist ein nachhaltiges Vorgehen in diesem Sektor zentral.
Der Lebenszyklus eines Gebäudes
Glücklicherweise sind bereits viele Ansatzmöglichkeiten für einen nachhaltigen Gebäudesektor vorhanden. In unserem Blogbeitrag zum Thema Haushalt haben wir schon auf Energiesparmöglichkeiten hingewiesen, welche dir helfen, deinen Energieverbrauch beim Heizen, beim Warmwasser und der Elektrizität zu reduzieren. Dabei handelt es sich um Tipps, welche erst beim Wohnen selbst relevant werden. Bevor wir aber in einem Gebäude wohnen können, muss dieses konstruiert und gebaut werden. Deshalb stellt eine nachhaltige Planung den Beginn und das korrekte Abreisen und Entsorgen des Gebäudes das Ende eines nachhaltigen Gebäudesektors dar. Dieser ganzheitlicher Ansatz ist als Life Cycle Assessment bekannt. Ziel des Life Cycle Assessment ist es, einen gesamten nachhaltigen Lebenszyklus eines Gebäudes zu erreichen.
Einer der ersten Schritte des Life Cycle Assessments stellt die Bestimmung der genutzten Rohstoffe für den Bau dar. Weltweit gibt es unglaublich viele Baustoffe und nicht alle besitzen die gleichen Funktionen. Aus diesem Grund werden die Baustoffe in Baustoffklassen unterteilt. Insgesamt gibt es rund 17 verschiedene Klassen. Beispiele dieser Klassen sind natürliche oder künstliche Bausteine, Bindemittel, Holz, Glas, Stahl, Beton, Dämmstoffe und so weiter. Aus dieser Menge von Baustoffklassen und deren zugehörigen Baustoffen, haben wir einen häufig benutzten, sowie drei vielversprechende, nachhaltige Baustoffe ausgewählt. Diese vier Baustoffe werden wir als nächstes hinsichtlich ihrer Ökobilanz sowie ihren Einsatzmöglichkeiten behandeln.
Vorneweg wollen wir anmerken, dass es viele weitere Baustoffe gibt und wir euch nur einen Einblick bieten möchten. Dieser Einblick ist als Anstoss gedacht, damit ihr euch, vielleicht beim Bau eines eigenen Hauses, mehr Gedanken zu unseren Baustoffen macht.
Zement aus der Baustoffklasse Bindemittel
Zement ist das Baumaterial, welches wir am häufigsten nutzen. Es dient als Bindemittel von Beton und Mörtel. Insgesamt ist es für 8% der gesamten CO2 Emissionen der Welt verantwortlich. Diese CO2 Emissionen entstehen durch eine notwendige chemische Reaktion bei der Zementherstellung. Kalkstein wird chemisch zersetzt, was zur Herstellung der aktiven Komponente von Zement führt. Die aktive Komponente reagiert mit Wasser, wodurch sich das starke, haltbare Material bildet. Durch diese chemische Reaktion bilden sich mehr als 60% der CO2 Emissionen der Zementherstellung. Da keine wirklichen Alternativen zum Kalkstein vorhanden sind, wird davon ausgegangen, dass die Zementherstellung nur durch die Rückgewinnung des chemischen CO2s CO2 neutral werden kann. Aus diesem Grund ist eine Studie eines Forschungsteams der ETH Zürich, zu den Möglichkeiten CO2 Emissionen zu reduzieren, von grösserer Relevanz für den Zementsektor.

In ihrer Studie berechneten sie, dass wir bis zu 80% der CO2 Emissionen in der gesamten Wertschöpfungskette des Zementsektors sparen könnten. Die CO2 Emissionen müssen also nicht nur bei der chemischen Zementherstellung reduziert werden. Dies bedingt aber, dass alle Akteure, welche bei der Konstruktion eines Gebäudes eine Rolle spielen, Verantwortung übernehmen und handeln. Dieser Ansatz ist vielversprechend, da die Zementherstellung selbst schon sehr effizient ist und nur bis zu 10% der CO2 Emissionen eingespart werden könnten. Insgesamt hat das Forschungsteam zehn Technologien zur Reduktion der CO2 Emissionen identifiziert, welche bei unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette eingesetzt werden können. Wir werden darauf nicht weiter eingehen, da dies den Rahmen sprengen würde. Jedoch kann man, wenn man sich für diese Technologien interessiert, hier Genaueres nachlesen.
Bauholz aus der Baustoffklasse Holz
Bauen mit Holz stellt eine sehr nachhaltige Variante dar, ist aber weniger bekannt. Eingesetzt wird der Biobaustoff vor allem in Skandinavien und Mitteleuropa. Holz wächst relativ schnell nach und ist deshalb ein sehr nachhaltiger Baustoff. Ausserdem verursacht dessen Nutzung wenig Schäden in der Umwelt und lokales Holz kann verwendet werden, was lange Transportwege spart.
Holz besitzt als Baustoff viele weitere Vorteile. Es ist emissionsfrei, vielseitig einsetzbar, feuchtigkeitsregulierend, wieder verwertbar und die Entsorgung ist schadstoffarm. Holz brilliert auch mit seiner wärmedämmenden Wirkung und seiner Langlebigkeit. Ein weiteres Plus bildet seine relativ hohe Feuerbeständigkeit im Vergleich zu Metall. Während bei einem Brand das enthaltene Wasser im Holz zuerst verdampft und dann das Material langsam beginnt zu brennen, verformt sich Metall sehr schnell und verliert seine Tragfähigkeit.
Insgesamt weist ein Holzhaus eine gute Ökobilanz vor, was vor allem an der tiefen Herstellungsenergie und der Möglichkeit zur Wiederverwendung liegt. Trotzdem können Baustoffe wie Beton, Metall und Glas nicht ganz vermieden werden. Unverzichtbar für eine gute Ökobilanz ist das Beachten des Labels der Holzproduktion, da dieses Nachhaltigkeit garantiert. In der Schweiz ist beispielsweise das Forest Stewardship Council (FSC) ein glaubwürdiges Holz-Label.
Lehmziegel aus der Baustoffklasse künstliche Bausteine
Ein weiterer ökologischer Baustoff stellt Lehm dar. Ganz generell überzeugt Lehm durch seine Fähigkeit Feuchtigkeit zu regulieren. Zudem kann Lehm Schadstoffe aus der Umgebung aufnehmen, speichert Wärme und ist brandhemmend. Beim Bau mit Lehm wird auf weitere Konservierungsstoffe oder Chemikalien verzichtet. Aus diesem Grund kann Lehm vollständig recycelt werden. Schaut man sich die Ökobilanz von Lehm an, dann ist auch diese sehr überzeugend. Lehm ist in der Schweiz gut verfügbar, weshalb nur kurze Transportwege anfallen. Des Weiteren kann Lehm energieaufwändiges Material ersetzen, da dessen Produktion wenig Energie verbraucht. Zuletzt ist das einfache Recycling von Lehm von Vorteil. Da in Lehm keine weiteren Zusätze enthalten sind, kann es einfach in die Natur zurückgegeben werden.
Agrarabfälle aus der Baustoffklasse Dämmstoffe
Neben den allgemein bekannten Baustoffen werden immer mehr auch alternative Rohstoffe als Baustoffe eingesetzt. Ein sehr interessanter Ansatz stellt die Verwendung von landwirtschaftlichen Abfällen dar. Momentan deponieren, verbrennen oder kompostieren wir Agrarabfälle, was zu erheblichen Umweltproblemen führt. Aus diesem Grund sind alternative Entsorgungsmethoden oder Recyclingmöglichkeiten gefragt. Verschiedenste Studien bestätigen, dass die Verwendung von Agrarabfällen als Baumaterial möglich ist und sogar zur Verbesserung des Baumaterials führt. Ausserdem ist die Wiederverwendung von Agrarabfällen eine sehr nachhaltige Methode und hat eine gute Ökobilanz.
Für die Wiederverwendung kommen verschiedenste Abfälle in Frage, wie Zuckerrohr-Bagasse, Weizenstroh, Kokosnuss- und Reishüllen, Erdnussschalen, Reisstroh, Gerstenstrohfasern und viele weitere. Diese Abfälle werden unterschiedlich beim Bau eingesetzt. Zuckerrohr-Bagasse und Reishüllen werden bei der Herstellung von Ziegeln und Mauerwerkkomponenten verwendet. Weitere Untersuchungen stellten fest, dass Zuckerrohr-Bagasse auch bei der Produktion von Zement genutzt werden kann. Dies führt wiederum zur Reduktion der CO2 Emissionen bei der Zementherstellung. Ausserdem könnten Agrarabfälle auch zementbasierte Konstruktionen verstärken, was die Dauerhaftigkeit und Qualität solcher Konstruktionen verbessert. Eine weitere Einsatzmöglichkeit von Agrarabfällen stellt die Verwendung von Stroh oder Kokosnuss für thermische Isolationen dar.
Neben diesen genannten Einsatzmöglichkeiten gibt es noch viele weitere Verwendungszwecke von Agrarabfällen, auf welche wir nicht weiter eingehen möchten. Wer daran interessiert ist, der kann sich hier vertiefter informieren. Zuletzt möchten wir euch die Vor- und Nachteilen der Verwendung von Agrarabfällen anhand der untenstehenden Grafik aufzeigen.

Fazit
Die Betrachtung dieser verschiedenen Biobaustoffen zeigt, dass der Bausektor viel Potential für mehr Nachhaltigkeit besitzt. Insbesondere muss dafür die Verwendung von umweltschädlichen Baustoffen wie Zement verringert werden. Des Weiteren sollten wir unseren Fokus auf die Ökobilanz der Baustoffe legen. Das heisst: Baustoffe mit einer positiven Ökobilanz kommen mehr zum Einsatz. Teil einer positiven Ökobilanz sind der generelle Energieverbrauch bei der Produktion sowie beim Recycling. Beispielsweise braucht es praktisch keine Energie Holz herzustellen und wiederzuverwenden. Bei Zement sieht dies völlig anders aus. Ein weiterer Einflussfaktor stellt der Transportweg dar. Viele nachhaltige Baustoffen sind lokal erhältlich, weshalb längere Transportwege erspart bleiben. Dies ist ebenso wichtig für eine positive Ökobilanz.
Zuletzt ist es wichtig, dass die nachhaltigen Baustoffe auch langlebig sind, da sonst der Life Cycle Assessment eines Hauses gering ausfällt. Wie wir gesehen haben, erfüllen dies die Baustoffe Holz, Lehm oder Agrarabfälle. Somit schneiden unsere betrachteten nachhaltigen Baustoffe mit einer sehr positiven Ökobilanz ab. Deshalb wird es für eine nachhaltigere Zukunft wichtig sein, dass mehr solche nachhaltige Baustoffe eingesetzt werden.
Quellenverzeichnis
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Favier, A., De Wolf, C., Scrivener, K., & Habert, G. (2018). A sustainable future for the European cement and concrete industry. ETH Zurich.
Favier, A., Scrivener, K., & Habert, G. (2019). Decarbonizing the cement and concrete sector: integration of the full value chain to reach neto zero emissions in Europe. IOP Conference Series: Earth and Environmental Science, 225, 012009.
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Kompetenzzentrum der Initiative “Kostengünstig qualitätsbewusst Bauen” im Bundesinstitut für Bau‑, Stadt und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (2009). Bauen im Lebenszyklus. 1–19.
Nachhaltigleben (n.d.). Haus bauen mit natürlichen Baustoffen.
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Favier, A., De Wolf, C., Scrivener, K., & Habert, G. (2018). A sustainable future for the European cement and concrete industry. ETH Zurich.