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Green­wa­shing — so fällst du nicht in die Nachhaltigkeitsfalle

18. März 2022 — Gast­bei­trag von Lea Christen

Lan­ge Zeit hat­ten Be­zeich­nun­gen wie “öko” oder “nach­hal­tig” ei­nen schwe­ren Stand in un­se­rer Ge­sell­schaft, doch das hat sich in den letz­ten Jah­ren stark ge­än­dert. Heut­zu­ta­ge be­haup­tet fast je­der ein Kli­ma- und Um­welt­schüt­zer zu sein, denn grün ist das neue cool und för­dert die Ver­kaufs­zah­len. Im­mer mehr Fir­men sprin­gen auf den Zug der Nach­hal­tig­keit auf. Das klingt erst mal nach gu­ten Neu­ig­kei­ten. Lei­der ha­ben da­bei aber bei wei­tem nicht al­le Fir­men ehr­li­che Ab­sich­ten und le­gen sich da­mit fälsch­li­cher­wei­se ein grü­nes Män­tel­chen um. Wor­um es bei die­sem so­ge­nann­ten Green­wa­shing geht und wie du es er­ken­nen kannst, er­fährst du hier.

Das eng­li­sche Wort Green­wa­shing oder auch Green­wa­sh steht für “grün­wa­schen” und ist die kri­ti­sche Be­zeich­nung für ei­ne PR-Me­tho­de mit dem Ziel, ei­nem Un­ter­neh­men in der Öf­fent­lich­keit ein um­welt­freund­li­ches und ver­ant­wor­tungs­be­wuss­tes Image zu ver­lei­hen, oh­ne die da­für aus­rei­chen­den Grund­la­gen zu be­sit­zen. Da­durch len­ken sie von an­de­ren Pro­ble­men ab, die zum Bei­spiel durch die Pro­duk­te des wer­be­trei­ben­den Un­ter­neh­mens ver­ur­sacht werden.

Das Ziel von Greenwashing

Le­bens­mit­tel­her­stel­ler wer­ben mit den La­beln “nach­hal­tig” und “na­tür­lich”, die Kos­me­tik­in­dus­trie mit den Wör­tern “cruel­ty-free” und “ve­gan”, auf dem Eti­kett dei­nes Za­ra T‑Shirts steht “Baum­wol­le aus fai­rer Pro­duk­ti­on” und der De­ckel dei­nes Star­bucks-Kaf­fees ist neu­er­dings re­cy­cle­bar. Das macht erst mal den Ein­druck, dass die­se Fir­men end­lich auch ih­ren Teil zu ei­nem nach­hal­ti­gen Um­gang mit der Um­welt bei­tra­gen. Aber es ist be­kannt­lich nicht al­les Gold was glänzt — oder in die­sem Fall nicht grün. Wenn Fir­men, die seit je­her be­kannt da­für sind, dass sie nicht-nach­hal­ti­ge Kon­sum­gü­ter pro­du­zie­ren, plötz­lich mit Um­welt­schutz wer­ben, soll­test du auf­pas­sen, um nicht in die Green­wa­shing-Fal­le zu tre­ten. Häu­fig ist das ei­gent­li­che Ziel hin­ter sol­chen Wer­be­ak­tio­nen näm­lich nicht der Um­welt­schutz, son­dern ei­ne Ab­len­kung vom ei­gent­li­chen Pro­blem: die nicht-nach­hal­ti­gen Pro­duk­te oder Pro­duk­ti­on der­sel­ben Firma. 

Ab­bil­dung 1: Ka­ri­ka­tur zum The­ma Green­wa­shing, die grün an­ge­mal­te Ka­mi­ne und AKWs zeigt, mit der Be­mer­kung: “…das soll­te reichen!…” 

Wenn al­so bei­spiels­wei­se das Fast­food-Un­ter­neh­men Mc­Do­nalds mit ab­bau­ba­ren Bur­ger-Ver­pa­ckun­gen aus Gras­pa­pier wirbt, so lenkt es vom Fakt ab, dass die Fir­ma für ih­re Pro­duk­te jähr­lich rie­si­ge Flä­chen an Re­gen­wald ab­hol­zen lässt und die Um­welt da­mit zer­stört. Ein wei­te­res sol­ches Ab­len­kungs­ziel wird am Bei­spiel ei­ner be­kann­ten Fast Fa­shion Mar­ke deut­lich, wel­che zwei Mal jähr­lich ei­ne “Conscious”-Kollektion her­aus­bringt. Die Fir­ma ver­mit­telt uns Kon­su­men­ten so­mit das Ge­fühl, dass wir Fast Fa­shion bei ih­nen auf ei­ne nach­hal­ti­ge und schuld­freie, aber trotz­dem güns­ti­ge Wei­se kau­fen kön­nen. Da­bei lenkt das Un­ter­neh­men je­doch vom Fakt ab, dass die rest­li­chen 14 Kol­lek­tio­nen im Jahr wei­ter­hin ge­nau­so we­nig nach­hal­tig pro­du­ziert wer­den wie zuvor.

Bei­spiel Green­wa­shing mit dem Bio-Label

Ge­ra­de das Bio-La­bel gilt all­ge­mein als si­che­res Sie­gel, kann aber bei un­ter­schied­li­chen Pro­duk­ten ei­ne ganz an­de­re Be­deu­tung ha­ben. Bei Kos­me­tik- und Kör­per­pfle­ge­ar­ti­keln fehlt bei­spiels­wei­se die ge­setz­li­che Rechts­vor­schrift, die den Be­griff “Bio” (im Eng­li­schen auch “or­ga­nic”) de­fi­niert. Es braucht al­so kei­ne Zer­ti­fi­zie­rung von Kon­troll­stel­len um den Be­griff be­nut­zen zu kön­nen. Auch der Be­griff “Na­tur­kos­me­tik” ist nicht ge­schützt, so kann ihn streng ge­nom­men je­der auf sein Eti­kett dru­cken. Auch im Tex­til­be­reich ist das La­bel “Bio” nicht klar ge­re­gelt. Der Be­griff “Bio” für Klei­dungs­stü­cke ist ge­setz­lich nicht ge­schützt, mit ei­ner Aus­nah­me: Bio-Baum­wol­le. Es grei­fen da­bei näm­lich die ge­setz­lich ge­schütz­ten Be­grif­fe “Bio” und “Öko” für den Aus­gangs­stoff der Klei­dung. Doch auch hier ist Vor­sicht ge­bo­ten: For­mu­lie­run­gen wie “nach­hal­ti­ge Baum­wol­le” oder “Baum­wol­le aus kon­trol­lier­tem An­bau” sind nicht ge­schützt und be­sit­zen kei­ner­lei Aus­sa­ge­kraft. Es han­delt sich da­bei meist nicht um Bio-Baum­wol­le, son­dern um Baum­wol­le aus kon­ven­tio­nel­lem Anbau. 

Ab­bil­dung 2: Ein Eti­kett an ei­nem T‑Shirt der Tex­til­ket­te H&M, wel­ches für 100% öko­lo­gisch an­ge­bau­te Baum­wol­le wirbt. Spä­ter stell­te sich je­doch her­aus, dass gro­ße Men­gen der aus In­di­en ein­ge­führ­ten an­geb­li­cher Bio-Baum­wol­le gen­tech­nisch ver­än­dert wor­den sind. 

Die gu­te Nach­richt ist, dass es sich bei Le­bens­mit­tel an­ders ver­hält, denn hier heisst “Bio” wirk­lich Bio. Um das Sie­gel zu er­hal­ten, müs­sen land­wirt­schaft­li­che Bio-Er­zeug­nis­se durch ei­ne Kon­troll­stel­le zer­ti­fi­ziert wer­den. Das Sie­gel er­hält nur, wer die Rechts­vor­schrif­ten erfüllt. 

Wel­che Green­wa­shing-Stra­te­gien gibt es?

Man­che PR-Stra­te­gien sind klar als Green­wa­shing er­kenn­bar, doch häu­fig be­nö­tigt es ge­naue­res Hin­schau­en. Folg­lich möch­ten wir dir ei­ni­ge Bei­spie­le für Green­wa­shing-Stra­te­gien auf­zei­gen, da­mit du ein bes­se­res Ge­spür da­für be­kommst und es schnel­ler er­ken­nen kannst:

  1. Fo­kus auf ein nach­hal­ti­ges Pro­dukt: Das Un­ter­neh­men be­wirbt ein ein­zel­nes nach­hal­ti­ges Pro­dukt, wie zum Bei­spiel ei­nen Pull­over aus Bio­baum­wol­le, ob­wohl die rest­li­chen 95% der Klei­dung nicht nach­hal­tig pro­du­ziert wird. 
  2. Fir­men, die vom Kern­ge­schäft ab­len­ken: zum Bei­spiel ein En­er­gie-Un­ter­neh­men, wel­ches mit Wind­kraft wirbt, ob­wohl 99 Pro­zent der En­er­gie aus Koh­le­kraft stammt.
  3. Mit dem Selbst­ver­ständ­li­chen wer­ben: Ein Haar­spray-La­bel, das mit „FCKW-frei“ auf sei­nen Pro­duk­ten wirbt, ob­wohl Flu­or­chlor­koh­len­was­ser­stof­fe (FCKW) als Pro­dukt­be­stand­teil be­reits seit den 90ern ver­bo­ten sind. FCKW-freie Haar­sprays sind al­so schon lan­ge ei­ne Selbstverständlichkeit.
  4. Un­ter­neh­men aus der um­welt­schäd­li­chen Bran­che, wie bei­spiels­wei­se Air­lines oder Erd­öl­kon­zer­ne, die sich für Nach­hal­tig­keit engagieren.
  5. Fir­men, die ei­ge­ne Gü­te­sie­gel für Nach­hal­tig­keit er­fin­den, die gar nicht existieren.
  6. Un­ter­neh­men, wel­che ih­re um­welt­schäd­li­chen Pro­duk­te mit noch um­welt­schäd­li­che­ren Pro­duk­ten ver­glei­chen, um da­mit nach­hal­ti­ger dazustehen.
  7. Fir­men, wel­che be­deu­tungs­lo­se oder mehr­deu­ti­ge Aus­sa­gen ma­chen, hin­ter de­nen nichts steckt.
Ab­bil­dung 3: Ein wei­te­res Bei­spiel für Green­wa­shing aus dem All­tag: Glen­co­re ist ein Un­ter­neh­men, das im­mer wie­der mit Kla­gen we­gen Um­welt­ver­schmut­zung, Aus­beu­tung und Kin­der­ar­beit zu kämp­fen hat. Auf die­sem Pla­kat wirbt es mit ei­nem “ver­ant­wor­tungs­vol­len” Ab­bau von Me­tal­len, die auch für den Bau und An­trieb der koh­len­stoff­ar­men ÖV-In­fra­struk­tur ver­wen­det wer­den. Da­bei lenkt Glen­co­re von sei­nem Kern­ge­schäft (dem Ab­bau von Roh­stof­fen) ab, das um­welt­schäd­lich ist. 

Na­tür­lich gibt es noch wei­te­re Stra­te­gien für Green­wa­shing, da der Fan­ta­sie von Mar­ke­ting­ab­tei­lun­gen grund­sätz­lich kei­ne Gren­zen ge­setzt sind. Es lohnt sich da­her im­mer, auf das grös­se­re Gan­ze zu schau­en. Hilf­rei­che Fra­gen hier­zu sind bei­spiels­wei­se: Für wel­che Haupt­pro­duk­te ist die­se Fir­ma be­kannt? Sind die­se Pro­duk­te grund­sätz­lich um­welt­schäd­lich? Ist nur die­ses Pro­dukt nach­hal­tig pro­du­ziert, oder ver­folgt die ge­sam­te Fir­ma ei­nen um­welt­freund­li­chen An­satz? Ei­ne sinn­vol­le Mög­lich­keit, um Green­wa­shing zu ent­ge­hen, liegt dar­in, sich auf um­welt­freund­li­che Mar­ken fest­zu­le­gen – nicht auf Produkte. 

Wor­auf du als Kon­su­ment noch ach­ten kannst

Es gibt be­stimm­te Green­wa­shing-Be­zeich­nun­gen, die ei­nem im­mer wie­der über den Weg lau­fen. Wenn du die­se ein­mal kennst, fällt es dir we­sent­lich leich­ter, dich beim Kauf nicht so schnell täu­schen zu las­sen. Ach­te beim Ein­kau­fen doch mal auf die fol­gen­den häu­fig ver­wen­de­ten Begriffe:

  • Re­cy­cel­ter Ozeanplastik
  • Nach­hal­tig
  • Kli­ma­neu­tral
  • Um­welt­scho­nend
  • Na­tür­li­ches Aroma
  • “100% um­welt­freund­lich”: Die­se Be­zeich­nung wird gern ver­wen­det. Doch 100% um­welt­freund­lich geht aber grund­sätz­lich nicht. Je­des Pro­dukt hat ei­ne Wert­schöp­fungs­ket­te, in der bei­spiels­wei­se CO2 aus­ge­sto­ßen wird. Es han­delt sich al­so um ei­ne gern ge­nutzt Flos­kel, um Green­wa­shing zu betreiben.
  • Fake-Sie­gel und ‑Zer­ti­fi­ka­te: Das Sie­gel “aus kon­trol­lier­tem An­bau”, wie man es häu­fig bei Baum­wol­le oder Ge­trei­de fin­det, ist kein of­fi­zi­el­les Sie­gel und be­deu­tet oft, dass die Wa­re her­kömm­lich pro­du­ziert wurde.
  • Grü­ne Far­be oder schö­ne Na­tur­bil­der: Grün ist die Far­be der Nach­hal­tig­keit, aber lass dich von der Far­be oder schö­nen Na­tur­bil­dern auf Ver­pa­ckun­gen nicht täu­schen, je­der darf sie benutzen. 

Was die­se Be­grif­fe und La­bels ge­mein­sam ha­ben ist, dass sie nicht ge­schützt sind. Je­der kann sie dem­nach auf ihr Pro­dukt set­zen und den Kon­su­men­ten so­mit fälsch­li­cher­wei­se beim Kauf ei­nes Pro­duk­tes hin­sicht­lich Um­welt­schutz und schäd­li­chen In­halts­stof­fen beruhigen. 

Nicht al­les was nach Green­wa­shing schreit, ist des­we­gen schlecht

Green­wa­shing exis­tiert und es wird von ge­wis­sen Fir­men scham­los aus­ge­nutzt um Kun­den hin­ters Licht zu füh­ren und um von der ei­gent­li­chen, gra­vie­ren­den Um­welt­pro­ble­ma­tik die­ser Un­ter­neh­men ab­zu­len­ken, an­statt Geld und Zeit zu in­ves­tie­ren, um wirk­lich et­was zu än­dern. Doch nicht über­all wo ver­meint­li­ches Green­wa­shing pas­siert, sind auch bö­se Ab­sich­ten da­hin­ter. Un­ter­neh­men be­stehen aus Men­schen und kein Mensch ist per­fekt, oder in der La­ge, Ver­än­de­run­gen über Nacht zu er­rei­chen. Be­son­ders bei tau­sen­den von kom­pli­zier­ten Pro­duk­ti­ons­ket­ten, ei­nem rie­si­gen Kon­kur­renz­markt, Ak­ti­en­be­sit­zer mit dem Wunsch nach Pro­fit­ma­xi­mie­rung und Kon­su­men­ten, wel­che nach­hal­ti­ge und fai­re Mo­de for­dern, aber an nied­ri­ge­re Prei­se ge­wöhnt sind. Da­her ist je­der ernst­haf­te Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung wich­tig und lo­bens­wert, so­lan­ge sich die Fir­ma dar­auf nicht aus­ruht und auch ei­ne wei­te­re Ent­wick­lung in die­sem Be­reich verfolgt. 

Was ist dei­ne Mei­nung zu Green­wa­shing? Hast du auch schon frag­wür­di­ge PR-Kam­pa­gnen von nicht-nach­hal­ti­gen Fir­men ent­tarnt? Teil es ger­ne mit uns in den Kommentaren. 

Quel­len­ver­zeich­nis

Greensurance.de (n.a.). Klei­dung und Textilien. 

Mum­me, T. (09/2019). Wenn „nach­hal­tig“ auf dem nicht-nach­hal­ti­gen T‑Shirt steht.

Mül­ler, U. (11/2007). Green­wa­sh in Zei­ten des Kli­ma­wan­dels. Wie Un­ter­neh­men ihr Image grün färben.

Ra­chel, n.a. (02/2021). ‘Sus­tainable style’: How con­scious is H&M Conscious?

Schulz, C. (11/2019). Green­wa­shing – Wie Un­ter­neh­men sich mit Um­welt­lü­gen grü­ner ma­chen, als sie sind.

Umweltmission.de (03/2022). Was ist Green­wa­shing? De­fi­ni­ti­on und Beispiele.

Utopia.de. (04/2019). Wann Bio wirk­lich Bio ist.

Wikipedia.org. (03/2022). Greenwashing.

Ab­bil­dungs­ver­zeich­nis

Ab­bil­dung 1: King, A. (09/2021). “Green­wa­shing 2.0” crea­tes even mo­re risk.

Ab­bil­dung 2: Vogt, J. (08/2010). Bio nicht gleich Bio

Ab­bil­dung 3: Ei­ge­nes Fo­to. Auf­ge­nom­men in der S‑Bahn in Zü­rich am 16.03.2022.

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