26. März 2022 — Gastbeitrag von Lea Christen
Wir besitzen immer mehr Kleidung, tragen diese immer kürzer und entsorgen sie dementsprechend auch schneller als dies noch vor 20 Jahren der Fall war. Die Pflichtbewussten unter uns bringen ihre Kleidung zur Altkleidersammlung. In der Schweiz werden Säcke mit Altkleidern, je nach Wohnort, sogar vor der Haustüre abgeholt. Doch was passiert dann eigentlich mit unseren Altkleidern? Und tun wir wirklich etwas für die Umwelt, indem wir einfach fleissig Altkleidung recyclen? Antworten darauf findest du in diesem Beitrag.
Wir besitzen so viel Kleidung wie nie zuvor. Wir kaufen so viel Kleidung, die so günstig ist, dass sie nach zwei- oder dreimal Tragen oft schon im Altkleidercontainer landet, weil sie uns nicht mehr gefällt oder die Qualität zu wünschen übrig lässt. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Deutschland sagt, dass jeder Bürger pro Jahr 16 Kleidungsstücke in die Altkleidersammlung oder in den Altkleidercontainer gibt. Das entspricht einem Kleiderberg von etwa 1,1 Millionen Tonnen Textilien pro Jahr.
Nur etwa die Hälfte der gespendeten Kleidung wird weiter getragen
Heute werden in der Schweiz jährlich bis zu 40‘000 Tonnen Bekleidung von der Altkleidersammlung abgeholt, das sind ca. sieben Kilogramm pro Person. Die Spende geschieht meist in der Hoffnung, damit Bedürftigen zu helfen. Zwar sind etwa 55% Prozent davon noch tragbar und gehen als second-hand Kleidung in den Verkauf, doch kaum ein Schweizer profitiert davon. Denn diese brauchbare Hälfte wird als Handelsware in osteuropäische oder afrikanische Länder exportiert. Dort werden die Kleidungsstücke gewaschen, und gegebenenfalls mit einer kleinen Gewinnmarche wieder verkauft. Der Transport dorthin ist aus umwelttechnischer Sicht, wie bei jedem weitgereisten Textil, nicht gerade ein Vorteil.
Ca. 35% der gespendeten Kleidungsstücke sind zum weiteren Tragen unbrauchbar und gehen an Recyclingfirmen, wo aus den Fasern Putzlappen oder Dämmstoffe hergestellt werden. Weitere 10% dienen als Ersatzbrennstoff für Kohle oder gehen in die Müllverbrennung.

Ein weiteres Problem ist, dass die Firmen ihre Aussortierungsstellen häufig ins Ausland verlegen, weil dort die gleiche Arbeit kostengünstiger ausgeführt wird. Dabei legen die Kleidersäcke viele Kilometer zurück, dies meist per Lastwagen, was wiederum einiges an CO2 produziert. Die Schweizer Firma Tell-Tex etwa mustert nur 10 Prozent der Altkleider in der Schweiz aus, den Rest liefert die Sammelfirma direkt an Sortierwerke in Belgien oder Italien. Die Konkurrenz Texaid sortiert immerhin 35 Prozent der Ware in der Schweiz und besitzt eigene Verarbeitungszentren in Osteuropa.
Altkleidung wird verkauft, nicht verschenkt
Viele spenden ihre Altkleider in dem Glauben, dass sie gratis an bedürftige Menschen abgegeben werden. Doch das ist nicht der Fall. Wenn es ein Kleidungsstück durch den Sortierprozess auf den second-hand Markt schafft, so wird es an bedürftige Menschen weiterverkauft — natürlich aber zu viel geringeren Preisen als neue Kleidung. Das Angebot an Altkleidern ist sehr gross, doch die Sortierungs- und Transportkosten seien zu hoch, als dass man die Kleidung gratis abgeben könne. Doch die Schweizer Altkleiderunternehmen arbeiten mit Hilfswerken wie beispielsweise HEKS, Caritas oder dem roten Kreuz zusammen. Diese Hilfsorganisationen erhalten einen jährlichen Zustupf durch die Sammelfirmen und können dieses Geld für karitative Zwecke nutzen.
Das Problem beim Recyceln
Textilrecycler und karitative Einrichtungen haben immer häufiger das Problem, dass die Qualität der Ware in den vergangenen Jahren deutlich nachgelassen hat. Oft handelt es sich um qualitativ schlechte Stoffe oder billige Kunstfasern, die noch dazu schlecht verarbeitet sind. Des Weiteren besteht unsere Kleidung heutzutage fast immer aus vielen verschiedenen Textilien. Eine klare, einheitliche Kennzeichnung über die genaue Zusammensetzung gibt es nicht. Es ist daher sehr aufwändig, Klamotten zu recyceln und aus alter Kleidung Garn für neue T‑Shirts und Hosen zu gewinnen. Häufig bleibt da nur noch das Downcycling als Option: dabei werden kaputte T‑Shirts und Hosen beispielsweise zu Putzlumpen verarbeitet oder von großen Walzen mit Reißnadeln zerfasert, durch lange Rohrsysteme geblasen und solange immer kleiner geschreddert, bis Faserkonfetti übrigbleibt. Diese winzigen Fasern werden dann zu Dämmmaterial verarbeitet und so weiterverwendet.
Aber ist die Altkleidersammlung nun umweltfreundlich oder nicht?
Unter dem Strich ist es nachhaltiger, wenn du deine Altkleider zur Sammelstelle bringst, als wenn du diese einfach in den Müll wirfst. Denn auch, wenn diese Kleidungsstücke teilweise weite Transportwege zurücklegen, so wird für die Sortierung, den Wiederverkauf und das Recycling weniger CO2 ausgeschüttet und weniger Chemikalien und Wasser verbraucht, als bei der Produktion von neuer Kleidung. Mehr zum CO2-Verbrauch bei der Kleiderherstellung, findest du übrigens hier. Werden deine Stücke aus der Altkleidersammlung also noch getragen oder recycelt, so leistest du damit einen Beitrag zum Umweltschutz.
Das bedeutet allerdings nicht, dass du dann sorgenfrei mehr neue Kleidung kaufen kannst, wenn du die alte einfach spendest. Das Problem sollte beim Kauf angegangen werden, indem wir auf gute Qualität achten, sodass wie das Kleidungsstück lange tragen können und auch möchten. Wenn du ausserdem sortenreine Textilien kaufst, also beispielsweise Kleidung aus reiner Baumwolle, so ist es einfacher diese nach der second-hand Verwendung zu recyceln.
Deine Alternativen zur Altkleidersammelstelle
Wenn du sicher gehen möchtest, dass die aussortierte Kleidung noch einmal getragen wird, ohne, dass sie lange Kilometer zurücklegt, verkaufst du sie am besten selbst weiter, zum Beispiel auf einem Flohmarkt, online oder in dem second-hand Laden um die Ecke. Es lohnt sich auch herauszufinden, ob jemand im Bekanntenkreis Freude an deiner Kleidung hat. Oder organisiere doch mal eine Kleidertausch-Party, wo Freund:innen vorbeikommen und ihre Altkleider mitbringen, die sie mit jemand anderem tauschen können.
Was denkst du zum Geschäft mit Altkleidern? Hast du gewusst, dass deine gespendete Kleidung weiterverkauft wird? Schreib es uns doch in die Kommentare.
Quellenverzeichnis
Bayerischer Rundfunk. (03/2020). Was passiert mit alter Kleidung?
Nachhaltigleben.ch. (n.d.). Ist Altkleider-Sammlung sinnvoll? Positive und negative Effekte
Norddeutscher Rundfunkt. (09/2020). Wegwerfmode: Was passiert mit Altkleidern?
Zingaro, S. (12/2011). Kleidersammlungen: Kommerz statt Karitas.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Radio Zürisee. (01/2021). Säcke gibt es auf telefonische Bestellung.